Martin Hillebrecht / Thomas Schuster
Individualisierung von Feedback bei motorischen Aufgaben
EINFÜHRUNG
Situationen, in denen Lernende über die Qualität ihrer Bewegungsausführung informiert werden, findet man im Alltag und im Sport, wenn es um das Erwerben, Variieren und Automatisieren von Bewegungen geht. Der Lernende führt Bewegungen aus, erhält von einem Außenstehenden Informationen über die Qualität seiner Bewegungsausführung und bekommt in der Regel Korrekturanweisungen für den nächsten Bewegungsvollzug. Der dabei ablaufende Kommunikationsprozeß zwischen Lehrendem und Lernendem wird durch verschiedene Variablen beeinflußt, die von der KR-Forschung schon vielfach untersucht worden sind. Eine dieser Variablen ist die KR-Frequenz, die die Häufigkeit von Rückmeldungen während eines Lernprozesses angibt. Im Zusammenhang mit dieser Variablen treten einige Fragen und Probleme auf. So könnte es z.B. fraglich sein, ob eine Information nach jeder Bewegung zu einem optimalen Lernergebnis beiträgt oder ob nicht sogar weniger Information bessere Ergebnisse hervorbringen könnte. Das konkrete Problem entsteht in diesem Fall aus der Unsicherheit über die optimale Verwendung der Variablen Informationsfrequenz. Eigene Beobachtungen in der Lehrpraxis verstärken den Eindruck, daß die Verwendung der Informationsvariablen meist sehr unbewußt und unkritisch erfolgt. So findet man z.B. oft den Trend zu einer möglichst hohen Informationsfrequenz, in dem Glauben, daß mehr Information auch mehr Lernen erzeuge. "Die Ansicht, daß Rückmeldungen möglichst häufig gegeben werden sollten, kommt z.B. bei MARTIN, CARL, & LEHNERTZ (1991) zum Ausdruck, indem sie das Wesensmerkmal des 'erarbeitenden Übens' zu Beginn des Techniktrainings als 'ständige(n) Informationsaustausch zwischen Sportlehrer/in und Sportler/in auf der Grundlage äußerer Rückkopplung' beschreiben (S. 69;...)" (WULF 1992, 12).
Untersuchungen zum Einfluß von verschiedenen KR-Variablen sind für den Bereich der Sportwissenschaft in verschiedenen Überblicksartikel zusammenfassend dargestellt (vergl. NEWELL 1974; SALMONI, SCHMIDT, & WALTER 1984; MECHLING 1986). Insbesondere SALMONI, SCHMIDT, & WALTER (1984) bewirkten eine Neuinterpretation von verschiedenen KR-Variablen, weil sie die Bedeutung von Retentionstests und damit den Einfluß von KR auf Lerneffekte herausstellten. Dies führte z.B. zu der Hypothese, daß hohe relative KR-Frequenzen in Aneignungsphasen zwar zu verbesserten Leistungen führen, daß das langfristige Lernergebnis in Retentionstests aber negativ beeinflußt wird (SALMONI, SCHMIDT, & WALTER 1984, 378; vergl. JOHNSON, WICKS, & BEN-SIRA 1981).
ZUR INFORMATIONSFREQUENZ
Zur Gestaltung der Informationsfrequenz lassen sich aus der Closed-Loop-Theorie von ADAMS (1971) und der Schema-Theorie nach SCHMIDT (1975) einige Hypothese ableiten. Die Aussagen der Closed-Loop-Theorie bezüglich des KR können wie folgt zusammengefaßt werden:
1. KR hat sehr große Bedeutung zu Beginn eines Lernprozesses, wenn es um die Ausbildung einer perzeptiven Spur geht,
2. KR ist immer dann notwendig, wenn die intrinsischen Informationen nicht ausreichen, um eine sinnvolle Bewegungskorrektur zu initiieren,
3. in frühen Lernstadien sollten keine KR-freien Versuche eingesetzt werden, da sie einen negativen Einfluß auf das motorische Lernen haben (vergl. ADAMS 1971; DAUGS 1991).
Die Schema-Theorie postuliert gute Lernergebnisse nach einer möglichst häufigen Bereitstellung von KR-Informationen, da sich dadurch die Ausbildung des Recall- und Recognition-Schemas beschleunigt. Der Lernende erreicht eine verbesserte Eigenkorrekturfähigkeit und ist in der Lage, Bewegungsparameter qualifizierter zu kalkulieren (vergl. SCHMIDT 1975).
Untersuchungen zur Informationsfrequenz zeigen jedoch Ergebnisse, die sich zum Teil konträr zu den obigen theoretischen Ableitungen darstellen. Von besonderem Interesse sind hier die Untersuchungen, die mit konstanter Versuchszahl und variierter relativer Frequenz arbeiten, da dies der Praxissituation am nächsten kommt. So fanden MC GUIGAN (1959), BAIRD & HUGHES (1972), JOHNSON, WICKS, & BEN-SIRA (1981), PÖHLMANN & BERNIEN (1981), WINSTEIN (1988), WULF & SCHMIDT (1989), WINSTEIN & SCHMIDT (1990), LEE, WHITE, & CARNAHAN (1990), WULF, SCHMIDT, & DEUBEL (1992) und HILLEBRECHT (1994) in ihren Arbeiten bessere Lernergebnisse in Retentionsphasen bei Gruppen mit niedrigen Informationsfrequenzen. Wenn diese Ergebnisse auch nicht immer signifikant waren, so zeigten sich zumindest Trends mit positiven Lernergebnissen für Gruppen mit niedrigerer Frequenz. MARSCHALL (1991), der eine großräumige Bewegungsaufgabe verwendete, konnte keine Vorteile für Gruppen mit verringerter KR-Frequenz feststellen. HILLEBRECHT (1994) fand bei Untersuchungen mit zwei großräumigen Bewegungen zwar keine signifikanten Vorteile von verringerten relativen Frequenzen konnte aber zumindest Trends, die für bessere Lernergebnisse bei verringerter Informationsfrequenz sprechen, zeigen.
Bei allen genannten Experimenten wurden die Informationsfrequenzen durch den Versuchsleiter systematisch variiert. Bei derartigen Variationen werden die individuellen Voraussetzungen, Situationen und Bedürfnisse des Probanden allerdings nicht bzw. nur ungenügend berücksichtigt. Eine Informationsfrequenz wird dem Probanden von außen "übergestülpt", was aber nicht heißen muß, daß diese für ihn tatsächlich immer optimal wirkt. Eine entscheidende Frage ist demnach, in welchen Situationen Außeninformationen für das Individuum sinnvoll und notwendig sind, um den Lernverlauf zu beschleunigen und wann derartige Informationen unterbleiben können. Erste Überlegungen dazu sind in der weiter oben beschriebenen Aussage der closed-loop-Theorie zu finden, daß KR immer dann notwendig wird, wenn die intrinsischen Informationen nicht ausreichen, um eine sinnvolle Bewegungskorrektur zu initiieren. Auch Beobachtungen in der Praxis zeigen, daß z.B. während eines Techniktrainings Athlet und Trainer immer wieder miteinander kommunizieren und ihre Ansichten zum vorherigen Bewegungsvollzug austauschen. Stimmen die Empfindungen des Athleten mit denen des Beobachters überein, erübrigt sich meist eine weitere Kommunikation. Der Athlet hat in diesem Fall genügend Informationen gesammelt, um zu einer adäquaten Bewertung des Bewegungsvollzuges zu kommen. Er benötigt keine weiteren Informationen vom Trainer, die Informationsfrequenz kann verringert werden.
Aus den bisherigen Überlegungen sollen im folgenden vier Situationen abgeleitet werden, in denen Informationen von außen wichtig sein könnten bzw. entfallen können:
1. Der Lernende stellt selbst keine Fehler in der Bewegungsausführung fest, von außen sind aber Diskrepanzen zu erkennen. In diesem Fall kann der Proband keine Differenz mehr zwischen Soll- und Istwert ermitteln und daraus eine Bewegungskorrektur ableiten. Erhält er hier keine Informationen, können sowohl sein Recognition-Schema als auch das Recall-Schema nicht optimal entwickelt werden;
2. Außeninformationen erhalten wesentliche Bedeutung, wenn der Lernende meint, Diskrepanzen festgestellt zu haben, sich diese aber nicht mit den Diskrepanzangaben des Beobachters decken bzw. dieser objektiv keine Fehler ermitteln konnte. In diesem Fall wird lediglich eine Korrektur eines fehlerhaften Recognition-Schemas notwendig, da das Recall-Schema die Parameterauswahl korrekt bewirkt hat. Hier ist vor allem eine fehlerhafte Bewegungswahrnehmung des Lernenden zu korrigieren;
3. Außeninformationen müssen gegeben werden, wenn sich der Lernende seiner Wahrnehmungen nicht sicher ist und/oder eine Information von außen wünscht. Eine Außeninformation kann dann zur Verifizierung oder Falsifizierung der entsprechenden Wahrnehmungen führen.
In den geschilderten drei Situationen bekommen die Außeninformationen einen hohen Stellenwert, da die Eigeninformationen nicht ausreichen, um eine optimale Bewegungskorrektur vornehmen zu können.
4. In anderen Situationen, wenn sich z.B. eine Deckungsgleichheit zwischen den Eigenwahrnehmungen und den Außeninformationen ergibt, wirkt eine Außeninformation eher als motivationaler/verstärkender Faktor bzw. kann sogar entfallen, was zu einer Reduzierung der externen Informationsfrequenz führt.
Die Wirkung von verringerten Informationsfrequenzen sollte sich,
wenn die eben geschilderten Situationen und die daraus abgeleiteten
Aussagen zutreffen, steigern lassen, wenn eine Individualisierung
von Feedback vorgenommen würde. Optimale Ergebnisse müßten
erzielt werden, wenn die Rückmeldung an die Abfrage einer
Selbsteinschätzung des Probanden gekoppelt würde. Stimmt
die Selbsteinschätzung des Lernenden mit den objektiv beobachteten
Daten überein, erübrigt sich ein Feedback, die Informationsfrequenz
wird dadurch individuell verringert. Natürlich erhält
der Lernende durch die "Nicht-Rückmeldung" die
Information, daß sein
Schätzergebnis relativ gut gewesen sein muß. Das kann
aber im Vergleich zu einem präzisen, quantitativen KR höchstens
als qualitative Information bezeichnet werden.
Der Wert von Selbsteinschätzungsprozeduren ist in der Literatur umstritten. So konnten z.B. in Untersuchungen von HOGAN & YANOWITZ (1978) oder SWINNEN/SCHMIDT/NICHOLSON/SHAPIRO (1990) keine signifikanten Unterschiede zu Kontrollgruppenbedingungen nachgewiesen werden (vergl. MAGILL 1993). BLISCHKE/PANZER/DAUGS stellten fest, daß Gruppen, die zusätzlich mit einer Interferenzbedingung behandelt wurden, schlechtere Lernleistungen als Selbsteinschätzungsgruppen erreichten. Eine allgemein leistungsfördernde Tendenz, die Selbsteinschätzungen nachgesagt wird, kann demnach nicht statistisch belegt werden. Es zeigen sich aber häufig zumindest positive Tendenzen unter Selbsteinschätzungsbedingungen. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang eine Kopplung mit der relativen Frequenz. Präzise und objektive Rückmeldungen können entfallen, wenn die Selbsteinschätzung des Lernenden korrekt ist.
Im folgenden wird daher ein Experiment beschrieben, in dem verschiedene Feedbackfrequenzen im Vergleich mit einem individualisierten Feedback anhand einer Bewegungsaufgabe untersucht werden. Im Rahmen des individualisierten Feedbacks werden vor allem die beiden ersten Situationen berücksichtigt, die weiter oben beschrieben wurden.
Folgende allgemeine Erwartungen lassen sich formulieren:
1. Gruppen, die Schätzungen ihrer Leistungen abgeben müssen, kommen zu besseren Leistungen als Gruppen ohne Schätzungsabgabe (verbesserte Entwicklung eines Recognition-Schemas durch die Verbalisierung der Schätzung).
2. Eine individuelle Versorgung mit Feedback, die sich am Schätzverhalten des Lernenden orientiert, wird zu besseren Leistungen führen als eine von außen vorstrukturierte.
3. Verringerte Feedbackfrequenzen führen zu besseren Leistungen als hohe.
EXPERIMENT
Methodik
Probanden
Am Experiment nahmen 67 Studierende des Instituts für Sportwissenschaften der Universität Göttingen teil. Die 41 männlichen und 26 weiblichen Probanden waren im Mittel 25,84 Jahre alt.
Meßinstrumentarium
Die technische Erfassung der Bewegungsaufgabe "Rollen eine Balles" erfolgte über zwei Lichtschranken, die mit einem Computer verbunden waren. Das zu messende Kriterium der Rollgeschwindigkeit eines Hockeyballes wurde auf einer Meßstrecke von 30 cm ermittelt. Die Zeiten, die der Ball für die 30 cm lange Meßstrecke benötigte, wurden mit einer Genauigkeit von 1/1000 Sekunde gestoppt. Der Meßfehler liegt bei maximal +/- 0,001 Sekunden. Die Entfernung zwischen dem Standort der Versuchsperson und den Lichtschranken betrug 3,0 m. Das Meßverfahren und die Bewegungsaufgabe sind noch einmal in Abbildung 1 dargestellt.
Abb. 1 Bewegungsaufgabe und Meßinstrumentarium
Bewegungsaufgabe
Der Proband erhielt die Aufgabe, einen Hockeyball einhändig so zu rollen, daß er nach einer Strecke von 3 Metern durch die Lichtschranken mit einer mittleren Geschwindigkeit von 1,5 m/s rollen sollte.
Experimentelle Durchführung
Die Probanden wurden in fünf Gruppen aufgeteilt. Die KR-Frequenzen der vier ersten Gruppen betrugen 100% und 50%. Die Probanden der Gruppen 1 und 3 erhielten in der Aneignungsphase bei jedem Versuch (100% o. S.) oder bei jedem zweiten Versuch (50% o. S.) eine Rückmeldung über ihr Bewegungsergebnis. Die Rückmeldung erfolgte in Form einer Differenzangabe zur Sollgeschwindigkeit. So gab z.B. ein Wert von -0,2 an, daß die Rollgeschwindigkeit um 0,2 m/s zu gering war. Diese Gruppen gaben keine Selbsteinschätzung ab.
Die zweite (100% m. S.) und die vierte Gruppe (50% m. S.) mußten unmittelbar nach jedem Versuch zunächst eine Schätzung über ihre realisierte Differenz zwischen Soll und Istwert in Metern/Sekunde abgeben. Eine fünfte Gruppe (Bandbreite 0,1 m/s) mußte ebenfalls direkt nach der Bewegungsrealisation eine Schätzung über die realisierte Differenz abgeben und erhielt dann in Abhängigkeit von dieser Schätzung eine Rückmeldung. Wich die Schätzung um mehr als 0,1 m/s vom objektiv gemessenen Geschwindigkeitswert ab, erfolgte eine Rückmeldung. Im anderen Fall konnte der Proband lediglich erkennen, daß seine Schätzung relativ gut gewesen sein muß; er erhielt aber kein quantitatives, präzises Feedback.
Den 25 Versuchen der Aneignungsphase folgte eine dreiminütige Pause und dieser eine Retentionsphase, in der die Probanden 5 Versuche ohne Feedback durchführen mußten. Die Bewegungsaufgabe wurde nicht verändert. Ein erneuter Retentionstest fand nach 24 Stunden mit weiteren 5 Versuchen ohne Feedback statt.
Design und statistische Analyse
Der absolute Fehler (AE) und der variable Fehler (VE) wurden für Blöcke von jeweils 5 Versuchen berechnet und graphisch aufgetragen (vergl. Abb. 2-3).
In verschiedenen Untersuchungsphasen wurden einfaktorielle und mehrfaktorielle Varianzanalysen gerechnet (a = 0,05). In Einzelfällen wurden post-hoc DUNCAN-Tests in einfaktoriellen Varianzanalysen mit einem a = 0,05 verwendet.
Untersuchungsergebnisse
Die relative KR-Frequenz der Schätzgruppe konnte erst nach Abschluß der Untersuchung ermittelt werden. Sie betrug im Mittel 52% und schwankte individuell zwischen 40 und 72%.
Die Untersuchungsergebnisse von Aneignungsphase und Retentionsphasen sind in Abb. 2-3 graphisch dargestellt. Jeweils 5 Versuche bilden hierbei einen Block; Block 1 entspricht somit den Versuchen 1-5 und Block 2 den Versuchen 6-10 usw. in der jeweiligen Untersuchungsphase. Der Block 6 stellt die frühe Retentionsphase nach drei Minuten dar, der Block 7 die späte Retentionsphase nach 24 Stunden.
Abb. 2 Absolute Abweichung in allen drei Untersuchungsphasen
Abb. 3 Variabler Fehler in allen drei Untersuchungsphasen
Aneignungsphase
a) Mehrfaktorielle Varianzanalyse mit den Faktoren Frequenz (100%, 50%) und Schätzen (ja, nein):
Es ergibt sich bei keinem Fehlermerkmal ein signifikanter Haupteffekt. Lediglich im Block 2 findet man bezüglich der absoluten Abweichung einen signifikanten Effekt des Schätzens (F(1,53)=5,01 und p<0,05) und im Block 5 einen signifikanten Effekt der Frequenz (F(1,53)=4,55 und p<0,05).
b) Mehrfaktorielle Varianzanalyse mit den Faktoren Frequenz (100%, 50%), Schätzen (ja, nein) und Meßwiederholung über zwei Blöcke:
Alle Gruppen zeigen deutliche Verbesserungen der Fehlermerkmale vom Block 1 zum Block 2 der Aneignungsphase (absolute Abweichung: F(1,50)=26,13, p<0,01; variabler Fehler: F(1,50)=25,52, p<0,01). Sie nähern sich dem gesetzten Ziel an bzw. verringern ihre Variabilität und zeigen ein stabileres Bewegungsverhalten. Die qualitativ beste Leistung in der Zielannäherung am Ende der Aneignungsphase und den geringsten variablen Fehler zeigt die Gruppe mit 100% KR-Frequenz und Schätzen (vergl. Abb. 2 und Abb. 3).
c) Einfaktorielle Varianzanalyse mit dem Faktor Frequenz (Gruppen 100% mit Schätzen, 50% mit Schätzen, Individuelle Gruppe mit Schätzen):
Zu keinem Meßzeitpunkt ergeben sich signifikante Unterschiede in den Fehlermerkmalen. Lediglich im dritten Block zeigt sich ein Trend bei der absoluten Abweichung (F(2,39)=3,09, p=0,0575). Dort weist die 50% Gruppe mit Schätzen die schlechtesten Leistungen auf.
Frühe Retentionsphase
a) Mehrfaktorielle Varianzanalyse mit den Faktoren Frequenz (100%, 50%) und Schätzen (ja, nein):
Es ergibt sich lediglich beim variablen Fehler im Block 6 ein signifikanter Effekt für den Faktor Schätzen (F(1,53)=6,59, p<0,05). Die Gruppen mit Schätzen zeigen größere variable Fehler.
b) Mehrfaktorielle Varianzanalyse mit den Faktoren Frequenz (100%, 50%), Schätzen (ja, nein) und Meßwiederholung über zwei Blöcke (Aneignung zur früher Retention):
Ein Effekt des Blockes läßt sich in der ersten Retentionsphase nicht mehr finden. Die Gruppen halten gegenüber dem letzten Block der Aneignung ihre Leistungen. Die geringste Zielabweichung weist die 50%-Gruppe ohne Schätzen auf, die größte die 50%-Gruppe mit Schätzen (vergl. Abb. 2).
c) Einfaktorielle Varianzanalyse mit dem Faktor Frequenz (Gruppen 100% mit Schätzen, 50% mit Schätzen, Individuelle Gruppe mit Schätzen):
Es ergeben sich in keinem Fehlermerkmal signifikante Unterschiede.
Späte Retentionsphase
a) Mehrfaktorielle Varianzanalyse mit den Faktoren Frequenz (100%, 50%) und Schätzen (ja, nein):
Es ergibt sich bei keinem Fehlermerkmal ein signifikanter Effekt.
b) Mehrfaktorielle Varianzanalyse mit den Faktoren Frequenz (100%, 50%), Schätzen (ja, nein) und Meßwiederholung über zwei Blöcke (frühe Retention zu später Retention):
Ein Effekt des Blockes läßt sich von der frühen zur späten Retentionsphase nur bei der absoluten Abweichung finden (F(1,50)=6,22, p<0,05). Die Gruppen zeigen Verschlechterungen ihrer Leistungen gegenüber der frühen Retentionsphase. Die geringste Zielabweichung weisen die 100%-Gruppen ohne und mit Schätzen auf, die größte die 50%-Gruppe ohne Schätzen (vergl. Abb. 2).
c) Einfaktorielle Varianzanalyse mit dem Faktor Frequenz (Gruppen 100% mit Schätzen, 50% mit Schätzen, Individuelle Gruppe mit Schätzen):
Es ergeben sich wie in der frühen Retention keine signifikanten Unterschiede.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß in der Aneignung die Abgabe einer Schätzung zunächst einen negativen Einfluß auf die Leistung ausübt. Der signifikante Effekt des Faktors Schätzen weist daraufhin. Am Ende der Aneignung scheint der Faktor Frequenz von größerer Bedeutung zu sein. So erreichen die beiden Gruppen mit 100% KR-Frequenz hier die besten Leistungen, was als eine Bestätigung der Guidance-Hypothese interpretiert werden kann. Der signifikante Effekt des Blockes weist daraufhin, daß die Gruppen insbesondere bis zum 10. Versuch starke Leistungsverbesserungen aufweisen. Die individuell behandelte Gruppe erreicht zu keinem Zeitpunkt signifikant bessere oder schlechtere Leistungen als die anderen Schätzgruppen.
In der frühen Retentionsphase nach drei Minuten finden sich keine wesentlichen signifikanten Unterschiede bezüglich der Abweichungsmerkmale zwischen den Gruppen. Lediglich der Effekt des Schätzens zeigt signifikante Effekte. Die aus dem Wegfall der Abgabe einer Schätzung resultierende Erhöhung der Variabilität wird hier gekennzeichnet. Ein signifikanter Effekt des Blockes ist nicht nachweisbar, die Gruppen halten ihre Leistungen vom Ende der Aneignung und zeigen keine wesentlichen Veränderungen.
Die frühe Retention nach 24 Stunden zeigt ein ähnliches Bild. Lediglich ein signifikanter Blockeffekt bei der absoluten Abweichung ist nachweisbar, weil sich alle Gruppen von der frühen zur späten Retention verschlechtern. Keine Gruppe erreicht signifikant bessere Leistungen als eine andere.
Bezüglich des Schätzverhaltens ist von Interesse, ob schon früh im Lernverlauf eine hohe Selbsteinschätzungsfähigkeit existiert und ob diese qualitativ besser oder schlechter als das motorische Können zu bewerten ist. Dazu ist in Abb. 4 ein Vergleich der absoluten Abweichungen des Rollverhaltens und der absoluten Abweichungen des Schätzverhaltens der Schätzgruppen aufgetragen.
Abb. 4 Absoluter Fehler des Rollverhaltens und absoluter Fehler
des Schätzverhaltens
Wie deutlich zu erkennen ist, sind die Probanden schon sehr früh in der Aneignung in der Lage, ihr Verhalten relativ präzise einzuschätzen. Das Schätzvermögen ist sogar präziser als das motorische Können. Die Probanden können sich relativ gut einschätzen, aber die motorische Aufgabe noch nicht in gleicher Qualität lösen. Das Schätzverhalten verbessert sich bis zum vierten Block der Aneignung und verbleibt dann auf einem relativ konstanten Wert. Bis zum Ende der Aneignungsphase schätzen die Probanden besser als sie die motorische Aufgabe lösen.
DISKUSSION
Die referierten Ergebnisse belegen, daß verringerte Feedbackfrequenzen das kurz- und langfristige Behalten bei der geforderten Parameteroptimierungsaufgabe nicht positiv beeinflussen können. So konnten in beiden Retentionsphasen keine verbesserten Leistungen bei Gruppen mit verringerten Feedbackfrequenzen beobachtet werden. Insofern konnten die Ergebnisse der oben genannten Untersuchungen zur KR-Frequenz bezüglich der 100%- und 50%-Gruppen nicht bestätigt werden. Forschungsergebnisse von WULF (1992) eröffnen in diesem Zusammenhang weitere Interpretationsperspektiven. Ihre Untersuchungen, in denen sie Programmlernen und Parameterlernen trennt, legen nahe, daß unterschiedliche Wirkmechanismen der KR-Variablen Frequenz existieren. Konnte beim Programmlernen ein positiver Effekt von verringerten Informationsfrequenzen festgestellt werden, so wirken sich diese beim Parameterlernen eher negativ aus. Da die geforderte Bewegungsaufgabe als reine Parameteroptimierungsaufgabe bezeichnet werden kann, sind die Lernergebnisse der 50% Gruppen auch aus dieser Sicht zu interpretieren.
Die Aussage von ADAMS, daß KR immer dann notwendig ist, wenn die intrinsischen Informationen nicht ausreichen, um eine sinnvolle Bewegungskorrektur zu initiieren, kann durch die Ergebnisse der individuellen Schätzgruppe unterstützt werden. So konnte die individuelle Gruppe zumindest gleiche Lernergebnisse erreichen, wie die anderen Gruppen. Sie erreichte aber keine signifikant besseren Leistungen, entgegen den Erwartungen für diese Gruppe.
Die relativ guten Leistungen der 100% Gruppen am Ende der Aneignung können im Zusammenhang mit der guidance-Hypothese interpretiert werden (vergl. SALMONI, SCHMIDT, & WALTER 1984; SCHMIDT 1991, 67).
Die größere Variabilität der Schätzgruppen in der ersten Retentionsphase deutet an, daß diese Gruppen in dieser Phase den Wegfall der Schätzabfrage zu verarbeiten haben.
Die Abgabe einer Selbsteinschätzung und die daran gekoppelte Gabe eines präzisen, quantitativen Feedbacks ergibt keine besseren Lernergebnisse als KR-Frequenzen von 100% und 50%. Ein anderes Ergebnis der Schätzgruppe wäre vielleicht zu erwarten gewesen, wenn der Toleranzbereich für eine korrekte Schätzung größer oder kleiner gewählt worden wäre. Eine Optimierung des Toleranzbereichs könnte zu noch besseren Ergebnissen führen (vergl. auch Toleranzbereiche bei Bandwidth-KR).
Das Schätzverhalten der Probanden der Schätzgruppe zeichnet sich durch eine hohe Präzision aus. Die Lernenden scheinen über ein hoch entwickeltes Recognition-Schema zu verfügen und bemerken schon sehr früh im Lernprozeß, wenn eine Abweichung von der Zielvorgabe aufgetreten ist, können diese aber nicht mit der gleichen Präzision korrigieren. Dies zeigt sich in den größeren absoluten Fehlern im motorischen Verhalten.
Mehr als 50% der Probanden der individuellen Gruppe liegen mit ihren relativen KR-Frequenzen im Bereich zwischen 40 und 52%, 90% der individuellen Gruppe erreichen Frequenzen von unter 60%, der Mittelwert liegt bei 52%. Trotzdem können die Probanden zumindest ein gleich gutes Lernergebnis erreichen wie die anderen Gruppen.
Eine Kombination der Selbsteinschätzung mit der relativen Frequenz scheint recht vielversprechende Möglichkeiten zu bieten. In weiteren Untersuchungen sollte eine genauere Klärung von Toleranzgrenzen und den damit kombinierten relativen Frequenzen erfolgen. In jedem Fall bietet ein Feedback in Abhängigkeit von einer Selbsteinschätzung eine Möglichkeit, ein erheblich individualisierteres Feedback zu ermöglichen und mindestens gleiche Lernergebnisse wie mit von außen vorgegebenen Verfahren zu erreichen.
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